Montag, 18. August 2014

Der Pakt - Kapitel acht #Vampirroman

Hallo Freunde der Nacht!

Mit einem Tag Verspätung geht es weiter in der Welt Zwischen Göttern und Teufeln.
Heute taucht zum ersten Mal der Vampir Jeremias auf, der, so viel sei gleich verraten, eine wichtige Rolle in allen Bänden dieser Reihe spielt.

Er hat viele Eigenschaften des klassischen Helden. Mutig, stark, gut, loyal. Und sein Charakter hat seine eigene Tragik. Als Sklave dient er seinem Herrn Marcus und sehnt sich nach seiner verlorenen Freiheit. Einst war er ein Kreuzritter, ritt unter der Fahne des legendären Richard Löwenherzes und versuchte Jerusalem aus der Herrschaft der Muslime zu befreien.

Wie kommt aber ein christlicher Ritter zu dem jüdischen Namen Jeremias? Und wieso hat sich dieser stolze, gläubige Christ in einen Vampir verwandeln lassen und dafür in die Sklaverei begeben? Womit hat sich Marcus seine Loyalität verdient? Diese Antworten findet ihr nicht in diesem Kapitel, noch in dem Band "Der Pakt". Jeremias´ Geschichte habe ich eine eigene Novelle gewidmet. Überall erhältlich wo es E-Books gibt und als Taschenbuch auch auf Amazon.

Jeremias - Zwischen Göttern und Teufeln, Novelle:
Kurzbeschreibung:
Weit entfernt von seiner Heimat England, hat sich der ehemalige Kreuzritter Jeremias in Jerusalem als Mitglied der Stadtwache ein neues Leben aufgebaut. Doch alles was er errungen hat, droht in den Konflikten der drei großen Religionen, Judentum, Christentum und Islam, zerstört zu werden. In dieser Zeit begegnet Jeremias dem mächtigen Vampir Marcus und wird vor die schwerste Entscheidung seines Lebens gestellt.



Quid pro quo: Alles hat seinen Preis, besonders die Unsterblichkeit!


Doch nun geht weiter mit Kapitel acht aus Der Pakt.


Bitte beachten: 

Kopieren und weiterverbreiten des Textes ist nicht gestattet! Danke für euer Verständnis.
Wer es nicht abwarten kann oder mich unterstützen möchte: Das komplette Taschenbuch gibt es hier bei Amazon: Amazon (Taschenbuch)  Und das E-Book ebenso hier: Amazon E-Book und auf allen anderen gängigen E-Book-Plattformen. 


Der Pakt – Zwischen Göttern und Teufeln, Band eins
Copyright: © 2013 Laya Talis
 
Kapitel acht
Jeremias
Die nächste Nacht
Jeremias' braune Schnürstiefel hinterließen schwache Abdrücke in dem feuchten, frisch gemähten Rasen, über den er gemächlich schritt. Während er sich der großen, sechseckigen Gartenlaube näherte, die von Efeu beinahe gänzlich bedeckt war, betrachtete er die polierten Steinfiguren, die seinen langen Weg vom Haus durch den Garten säumten. Die Skulpturen zeigten römische Götter und Göttinnen und waren annähernd menschengroß. Sie wirkten trotz ihrer weißen Farbe fast lebendig und erschufen dadurch eine unheimliche Atmosphäre in der sternenklaren Nacht. Mit Hingabe und größtem Können, hatte der Künstler diese Skulpturen erschaffen, die mitten in der Bewegung inne zu halten schienen und bei deren Anblick man trotz der physikalischen Unmöglichkeit darauf wartete, dass sie den begonnenen Bewegungsablauf vollendeten. Die Lorbeerkrone des Gottes Jupiter allein war schon ein Meisterwerk, mit den hunderten von fein herausgearbeiteten Blättchen. Jeremias bewunderte jedes Mal die vielen Kunstgegenstände, die sich im Besitz seines Herrn befanden. Der Mond war so gut wie voll und erhellte die Nacht mit seinem silbrig-weißem Licht, so dass das grüne Gras fast so grau wirkte, wie der Stein der Gartenlaube.

Jeremias hatte den etwa einen Hektar großen Garten fast ganz durchquert und nur noch wenige Meter trennten ihn von den ersten Säulen der steinernen Laube.
Er selbst hatte keine eigenen Kunstwerke. Keinen eigenen Garten, kein eigenes Haus. Nichts …
Sklaven hatten keinen Besitz, sie waren Besitz.

„Ich grüße Euch, mein Gebieter, Herrin Carda.“ Jeremias kniete vor dem runden Steintisch nieder. Direkt daneben, auf einer edel gepolsterten Liege, hatten es sich Marcus und Carda bequem gemacht. Die Laube war schon vor etwa zwanzig Jahren mit elektrischem Licht ausgestattet worden, und die Ketten mit den hunderten von kleinen Lämpchen, hatte man wie einen Kranz unterhalb des Dachrandes verlegt. Doch auch ohne diese Lichtquelle hätte Jeremias seinen Herrn und dessen Gemahlin problemlos erkennen können. Nicht nur wegen des hellen Mondscheins, sondern aufgrund seiner Fähigkeit als Vampir, auch im Dunkeln perfekt sehen zu können. Marcus lag seitlich auf dem einarmigen roten Diwan, während Carda vor ihm saß und ein aufgeschlagenes Buch auf ihrem Schoß ruhte. Sie hatte ihrem Gemahl offenbar vorgelesen, bis die Beiden ihn entdeckt und schweigend auf ihn gewartet hatten. Marcus' Hand streichelte sanft Cardas nackten Rücken, während er Jeremias nicht aus den Augen ließ.

„Ich grüße dich, Jeremias“, sagte Carda leise, legte sich ein weißes durchsichtiges Tuch, das neben ihr auf dem Diwan gelegen hatte, über den Kopf und ihre Schultern und klappte das Buch zu. Mit einer eleganten Bewegung warf sie es auf den Tisch und Jeremias las beiläufig den Titel des Werkes.
Ilias. Marcus mochte noch immer die Geschichten von Homer? Hatte er nach zweitausend Jahren nicht langsam genug davon? Jeremias konnte nicht verstehen, was seinen Herrn daran so faszinierte. Selbst die Geschichte von Odysseus Irrfahrt hatte noch nie sein Gefallen gefunden.
Jeremias hatte Carda nur kurz zugenickt und war danach darauf bedacht, sie nicht anzusehen. Marcus mochte es nicht, wenn jemand sein Weib anstarrte und Jeremias wäre nicht Jahrhunderte alt geworden, wenn er die Befindlichkeiten und Eigenarten seines Herrn nicht kennen und sich entsprechend verhalten würde.

Marcus war kein Vampir, der aus einer perversen Lust heraus strafte und quälte, wie es Antonius tat, aber er war auch kein Mann, der nicht wegen seiner Kaltblütigkeit gefürchtet gewesen wäre. Er forderte bedingungslosen Gehorsam und verzieh erst recht keinem Sklaven ungestraft die kleinste Verfehlung.
„Ich grüße dich“, sagte Marcus in seinem gewohnt leisen und monotonen Tonfall. „Steh auf.“
„Ich danke Euch, Herr.“ Jeremias erhob sich, hielt den Blick aber weiterhin auf seine Füße gerichtet.
„Sprich!“ Marcus setzte sich auf und gab Carda einen flüchtigen Kuss auf die Schläfe.
„Herrin Alessina ist hier. Sie überbringt eine Nachricht des Meisters. Sie sagt, der Meister wünscht, dass Ihr ihn in seiner Burg in Schweden aufsucht.“ Jeremias schlug mit seiner Hand nach einer Mücke, die es sich auf seinem nackten Arm bequem gemacht hatte. Diese widerlichen Parasiten waren lästig. Er leckte seinen Daumen an und wischte den kleinen Blutfleck auf seiner Haut fort. Das einzige, was von der Stechmücke übrig geblieben war.
„Ist Alessina noch in meinem Haus?“, fragte Marcus.
„Ich habe sie lange nicht gesehen.“ Carda wandte sich Marcus zu und ergriff bittend seine Hand. „Ich möchte sie gern treffen, wenn Ihr es mir gestattet.“

Carda und Alessina waren fast gleich alt und hatten beide etwa fünfzig Jahre Seite an Seite als Sklavinnen der Vampirin Helena gedient, die sie zu Unsterblichen gemacht hatte. Alessina besuchte Carda so oft es ihr möglich war, doch eigentlich nur dann, wenn Marcus sich nicht bei Carda aufhielt. Die kleine, blonde Vampirin war ein Feigling und ging Marcus am liebsten aus dem Weg. Doch Alessina war auch ein Überlebenskünstler und hatte es geschafft, trotz ihres zurückhaltenden und ängstlichen Wesens, in der Hierarchie der Vampire hoch aufzusteigen. Dies war besonders bemerkenswert, da es, um in der Welt der Verdammten an Macht zu gelangen, notwendig war, körperlich stark und auch gefürchtet zu sein. Jeremias zweifelte, ob es irgendwen gab, der vor Alessina Angst hatte, und mit ihren über 300 Jahren, war sie auch nicht herausragend stark. Trotz ihrer Unzulänglichkeiten hatte der Meister sie in seinen Zirkel aufgenommen und in den Rang einer Fürstin erhoben, obwohl sie über kein eigenes Territorium herrschte. Sie war die Botin des Königs und es war die Angst vor dem König, die sie vor Repressalien durch andere Vampire schützte. Meistens zumindest ließen sie sie in Ruhe.

„Herrin Alessina hat mich ebenfalls beauftragt Euch zu fragen, ob sie Eure Gemahlin persönlich begrüßen darf, Herr. Daher habe ich sie noch nicht gebeten wieder zu gehen. Sie wartet in Eurer Eingangshalle auf Eure Erlaubnis.“ Jeremias konnte nur hoffen, dass Marcus nicht verärgert war, dass er Alessina nicht sofort weggeschickt hatte. Auch wenn er seinem Herrn seit beinahe neunhundert Jahren diente und ihn vermutlich so gut kannte, wie niemand sonst, war es schwer einzuschätzen, was ihn erzürnen könnte. Nicht zuletzt, da der alte Vampir sehr launisch war.

„Ich breche morgen Nacht nach Schweden auf. Bereite alles für meine Abreise vor, Jeremias“, befahl Marcus und stand auf.
„Ja, Herr.“
„Schon morgen wollt Ihr zum Meister?“, hauchte Carda, sprang auf und schlang ihre Arme um Marcus´ Hals. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter, wobei ihr Tuch von ihrem Kopf rutschte, das Marcus geschickt auffing. Er bedeckte Carda behutsam wieder und drückte seine Lippen lange auf ihre Stirn. In diesem Tun lag Zuneigung, aber auch eine Selbstverständlichkeit, die ausdrückte, dass er in ihrer Beziehung über ihr stand. Er war weit davon entfernt, in ihr eine gleichrangige Partnerin zu sehen.
Carda hob ihren Kopf wieder und schaute ihn treu und ergeben an. „Kommt Ihr bald- ich meine … Werdet Ihr lange fortbleiben?“
Marcus fuhr mit seinem Daumen liebevoll über ihre vollen Lippen und küsste sie dann zärtlich. „Das weiß ich noch nicht.“
„Oh!“ Ihre traurige Stimme verleitete Jeremias zu ihr zu schauen. Carda sah sehnsüchtig zu Marcus auf und drückte sich eng an ihn. Ihr weißes Kleid wurde von einer Brise erfasst und der Stoff aufgebauscht, so dass Jeremias einen Blick auf ihre makellosen, schlanken Beine erhaschte. Zum Teufel, Carda war einfach wunderschön.

Eilig drehte Jeremias sein Gesicht zur Seite und konzentrierte sich auf eine der roten Begonien, die in steinernen Kübeln neben den sechs Säulen der Laube auf dem Boden standen und versuchte das Bild von Cardas hinreißenden Schenkeln aus seinem Kopf zu bekommen. Wenn Marcus ihn dabei erwischte, wie er die schönen Beine seines Weibes betrachtete, ja sogar nur an sie dachte, könnte er sich gleich in die Sonne legen.
„Ich hoffe, Ihr kommt bald zurück“, murmelte Carda und küsste Marcus flüchtig auf den Mund.
„Ich komme bei Tagesanbruch in dein Gemach. Erwarte mich dort“, flüsterte Marcus ihr ins Ohr, löste sich von ihr und machte schon die ersten Schritte zurück zum Haus.
Jeremias sah ihm nach und entdeckte sogleich die in weißen Kleidern gehüllten Frauen, die über den Rasen liefen und sich der Laube näherten. Es waren zwei von Marcus´ Sklavinnen. Jekaterina und Darja. Marcus hatte sie vermutlich durch die bloße Kraft seiner Gedanken gerufen, damit Carda nicht allein zurückblieb.
Marcus war, wie jeder freie Vampir, in der Lage mit seinen eigenen Sklaven telepathisch zu kommunizieren, solange sie sich nicht mehr als einige Kilometer von ihm entfernt aufhielten. Auf gleichem Wege konnten seine Vampire ihm jedoch nur antworten, wenn er seinen Geist für sie öffnete und das hatte Marcus, soweit Jeremias wusste, noch nie getan. Der erste Vampir ließ niemanden in seinen Kopf eindringen.

„Marcus“, rief Carda ihm nach. „Alessina. Darf ich sie sehen? Bitte!“
Marcus schritt weiter und machte eine ungeduldig wirkende Geste mit seiner Hand. „Ja, aber sie soll zeitig mein Haus verlassen. Am Tage will ich sie hier nicht mehr sehen.“
„Gewiss. Ich danke Euch.“ Carda seufzte und setzte sich wieder auf die Liege.
Jekaterina und Darja knieten nieder, als Marcus sie passierte und gingen erst weiter, als er außer Sichtweite war. Sie knicksten auch tief vor Carda, die die Frauen nur kurz anschaute und mit einer leichten Kopfbewegung hieß wieder aufzustehen. Schon war ihre Konzentration wieder auf Jeremias gerichtet, der nur noch darauf wartete, entlassen zu werden.

„Ich werde Alessina zu dir schicken, wenn du es wünscht, Herrin“, sagte Jeremias, der Jekaterina und Darja verstohlen beobachtete, wie sie sich an den Rand der Laube stellten und ihre Hände über ihren Schoß falteten. Ihre Köpfe hatten sie gesenkt und ihr blondes Haar verdeckte größtenteils ihre schönen Gesichter. Wie Carda trugen sie weiße, bodenlange Kleider, die aussahen wie Kleidungsstücke aus dem antiken Rom. Um ihre Oberarme waren goldene Bänder gewunden und goldene Kordeln waren um ihre Taillen gebunden. Sie trugen goldene, gleiche Halsketten mit einem Münzanhänger. Sie waren hübsche Frauen. Wie es alle Frauen waren, die sich Marcus in sein Bett holte. Jekaterina stach dennoch unter ihnen hervor, ebenso wie Carda. Diese beiden Frauen waren von einer besonders anmutigen Schönheit.

„Tu das. Alessina soll mich hier treffen. Du kannst gehen“, sagte Carda.
„Danke, Herrin. Darja, Jekaterina. Ich wünsche euch noch eine angenehme Nacht.“
Die Sklavinnen sahen lächelnd zu ihm und Jekaterina zwinkerte ihm sogar zu. „Wir dir auch.“
Jeremias beugte noch einmal kurz ein Knie und drehte sich schon um, um zum Haus zurückzukehren, als Carda ihn überraschend aufhielt. „Jeremias, ähm. Warte noch!“
„Herrin?“ Er wandte sich wieder zu ihr um, ging aber vorsorglich einige Schritte zurück. Jetzt, wo Marcus nicht mehr anwesend war, sollte er ausreichend Abstand zu ihr halten. Es gab wohl keinen anderen Vampir, der eifersüchtiger war als sein Herr.
„Ich- ich … ich möchte, dass du noch etwas für mich tust.“ Carda klang nervös. Sie holte tief Luft und Jeremias erwartete, dass sie weitersprechen würde, doch sie schwieg.

Er drehte an dem silbernen, schlichten Ring an seinem Finger und versuchte seine Augen genau auf diesem Schmuckstück zu lassen und seine Ungeduld zu verbergen. „Welchen Befehl hast du für mich, Herrin?“, fragte er schließlich doch, um sie endlich zum Sprechen zu bewegen und danach verschwinden zu können.
„Keinen Befehl … es ist mehr … eine Bitte“, flüsterte sie jetzt so leise, dass Jekaterina und Darja sie vermutlich nicht hören konnten.
„Du bist die Gemahlin meines Herrn. Wenn du mir befiehlst, so gehorche ich dir.“ Jeremias hasste es ein Sklave zu sein.
Carda seufzte und zu seinem Ärger stand sie auf und kam auf ihn zu.
Eilig wich er zurück. „Herrin, bitte.“
Sie verstand sofort, was er wollte, und blieb stehen. „Oh … sicher.“
Wieder hörte er, wie sie schwer atmete. Das war aber auch das einzige, was er von ihr hörte. Diese Frau zerrte an seinen Nerven. „Wenn du erlaubst, so hole ich jetzt die Herrin Alessina.“
„Ich will, dass du Marcus überredest, dass er mich nach Spanien lässt“, sagte Carda und sie sprach so hastig, dass sich ihre Worte fast überschlugen.
Verblüfft vergaß er alle seine Vorsätze und starrte ihr direkt in ihre dunkelgrünen Augen, die verführerisch von ihren langen, blonden Wimpern eingerahmt wurden. „Ich soll was?“, stieß er verwirrt aus.

„Ich- ich habe ihn bereits gefragt. Ich würde auch allein gehen, doch er wurde sofort wütend und verbot mir, ihn überhaupt noch mal darauf anzusprechen … Aber ich will nach Madrid. Ich will nach Hause, Jeremias“, flüsterte Carda verzweifelt.
„Du hast ihn gefragt, ob er dich ohne ihn nach Spanien lässt?“ Er konnte nicht glauben, dass Carda Marcus tatsächlich eine derartige Bitte vorgetragen hatte. Kannte sie Marcus so wenig, dass es ihr nicht klar gewesen war, dass die Äußerung eines solchen Wunsches nicht nur aussichtslos war, sondern ihn zwangsläufig verärgern würde?
„Ja. Zuerst bat ich ihn, mich zu begleiten, doch als er dies ablehnte, fragte ich, ob ich ohne ihn … er hat mir nicht einmal richtig zugehört.“
„Und du denkst, er würde mir zuhören?“ Zum Teufel, was ritt diese Frau denn da?
„Er schätzt deine Meinung.“
Jeremias schnaufte. „Ja, das tut er, Herrin, aber er schätzt es nicht, wenn ich ihm meine Meinung kundtue, ohne dass er mich dazu aufgefordert hat.“ Er verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Und es gibt wohl kaum etwas, was er weniger zu schätzen weiß, als wenn ein anderer Mann ihm Vorschläge macht, was er seiner Gemahlin zu gestatten hätte und was nicht. Und besonders schätzt er es nicht, wenn ihm sein Sklave meint sagen zu dürfen, was er tun sollte. Erspare mir den Umweg und stich mir gleich einen Dolch in die Brust.“
Carda schlug ihre schlanken Hände vor ihr Gesicht und Jeremias sah bestürzt, wie ihre Schultern zu beben begannen. Sie weinte. Verfluchter Mist. Er hatte sie zum Weinen gebracht.
„Herrin, vergib mir. Ich wollte doch nicht … Ich-“ Ach zum Teufel! Er wusste nicht, was er sagen sollte und konnte nur hoffen, dass Marcus diese Szene nicht bemerkte.

„Ich bin seit über einhundert Jahren in diesem kalten, mir noch immer fremden Land. Eingesperrt in dieses Haus und konnte mein Madrid nicht besuchen. Es stört mich nicht, so lange Marcus hier ist, aber er lässt mich oft allein … Ich- ich will in meine Heimat, Jeremias. Kannst du das nicht verstehen? Wieso hilfst du mir nicht?“ Sie klang schrecklich verzweifelt.
„Doch, Herrin, ich verstehe deinen Kummer. Aber es liegt nicht in meiner Macht dir zu helfen. Hadere nicht mit deinem Schicksal. Du kannst es nicht mehr ändern. Füge dich deinem Herrn und Gemahl, wie … na ja, wie du es immer tust. Es ist zu spät, deine Meinung zu ändern.“ Jeremias zuckte mit den Schultern und schaute zu Jekaterina und Darja. Hatten sie sie gehört? Möglich. Er konnte für Carda nur hoffen, dass die beiden Frauen Marcus von dieser Unterhaltung nichts verrieten.

Carda funkelte ihn grimmig an. Sie hatte geweint, ja. Doch weder in ihren Augen noch auf ihren Wangen waren Tränen zu sehen. Vampire konnten keine Tränen vergießen. „Meine Meinung ändern? Du tust mir Unrecht, Jeremias, wenn du glaubst, dass ich es beklage Marcus´ Gemahlin geworden zu sein. Ich liebe ihn viel zu sehr, als dass ich das bereuen könnte. Aber er ist immer wieder für lange Zeit fort. Wenn ich allein hierbleiben muss, vermisse ich nicht nur ihn, sondern umso mehr auch meine Heimat.“
„Herrin, du kanntest ihn. Du hast gewusst, dass er dich isolieren würde und du nicht in Madrid würdest bleiben können“, hielt ihr Jeremias vor. „Dennoch hast du ihn aus freien Stücken geheiratet.“

„Ja, ich habe gewusst, was Marcus von mir verlangen wird. Ich wusste, dass er mich in eines seiner Heime bringen würde, aber dass er direkt vor meinen Augen hurt, damit rechnete ich damals nicht! Er zollt mir nicht die geringste Achtung, dabei versuche ich all seinen Ansprüchen gerecht zu werden. Ahh, es bricht mir mein Herz. Jedes Mal bricht es mir das Herz, wenn er statt meines Betts, dass ihre aufsucht! Und dann zwingt er mich auch noch, mit diesen Frauen zusammen zu leben und lässt mich mit ihnen allein! Mit seinen Huren.“ Sie schaute traurig und argwöhnisch zu Jekaterina und Darja. Jeremias rechnete es ihr hoch an, dass sie ihre Macht nicht ausnutzte, um Jekaterina und die anderen Sklavinnen aus Eifersucht zu quälen, wenn Marcus nicht hier war. Es zeichnete Cardas Wesen aus, dass sie ihren Schmerz nicht an anderen ausließ. Sie war eine sanfte und gehorsame Frau und auch die Jahrhunderte, die sie bereits verlebt hatte, hatten ihr weiches Herz nicht hart werden lassen. Über Marcus' Untreue mit ihr zu sprechen, gefiel Jeremias aber genauso wenig wie darüber, dass er auf seinen Herrn einwirken sollte, damit Carda nach Madrid könnte. Wieso musste sich Carda ausgerechnet ihn aussuchen, um ihr Leid zu klagen? Er konnte ihr in keiner Weise helfen. Aber irgendwie wollte er ihr Trost spenden und versuchte daher Marcus' Verhalten zu erklären.
„Mein Herr tut nichts willentlich, um dein Herz zu betrüben, Herrin. Bedenke bitte, dass er sich noch immer als ein Römer fühlt, mit all deren Ansichten von Ehre, Pflichten aber auch Rechten. Zu seiner Zeit als Mensch war es üblich, dass der Dominus seine Sklavinnen – aufsuchte. Es bedeutet nicht, dass er dich zurückweist, oder es ein Zeichen von mangelnder Achtung wäre.“

Das war wirklich ein kläglicher Versuch sie aufzumuntern, doch etwas Besseres fiel Jeremias nicht ein und zudem war es die Wahrheit. Marcus betrog sie nicht aus Grausamkeit. Er konnte Cardas Unwillen einfach nicht verstehen. Für ihn war es völlig selbstverständlich, was er sich herausnahm, ihr aber verwehren, sie für eine gleiche Weise von Untreue mit Sicherheit sogar töten würde. Sein Handeln war kalt, aber nicht bösartig. Jeremias teilte diese Moralvorstellung nicht. Er lebte als Mensch allerdings auch in einer ganz anderen Zeit als Marcus.
„Ein Römer. Ja, ja, ich weiß, wer er war und ist. Deswegen tut es mir dennoch weh, dass er mit ihnen schläft, Jeremias. Wenn ich hier allein bin, muss ich immer daran denken, wie er seine Zeit mit Jekaterina und den anderen verbracht hat. Könnte ich diesen Erinnerungen doch nur einige Wochen entfliehen. In meinem Madrid könnte ich meine Gedanken in andere Richtungen lenken. Es ist doch meine Heimat. Ich- ich will nach Hause.“
Jeremias fuhr sich mit gespreizten Fingern durch sein hellbraunes kurzes Haar. Er dachte über ihre Worte nach und verglich ihr Schicksal mit dem von Marcus´ Sklaven. Es unterschied sich nicht sehr, denn obwohl sie eine freie Vampirin war, war sie genauso unfrei. Carda war nicht mehr als eine weitere, wertvolle Skulptur in Marcus' Besitz, über der er verfügte, wie er es wollte.
Wie auch er selbst nicht mehr für seinen Herrn war.
Wie sie alle.

Sein Blick ging zu den im Garten stehenden Steinfiguren. Eigentlich könnten sie sich dazustellen.
Aber nein. Jeremias wollte nicht undankbar sein. Marcus hatte ihm die Unsterblichkeit geschenkt. Es war ein Handel gewesen. Er hatte ewiges Leben bekommen und sich dafür der Knechtschaft unterworfen. Und obwohl er seit Jahrhunderten sehnsüchtig darauf wartete freigegeben zu werden, hatte er nicht die Hoffnung verloren, irgendwann dieses Ziel zu erreichen. Er hatte Marcus immer treu gedient und seine Freiheit verdient.
„Ich wünsche dir, dass du nach Madrid gehen könntest, wenn es denn dein Herz erleichtert, Herrin“, flüsterte er schließlich und seine Anteilnahme war aufrichtig.
„Wirst du doch mit Marcus sprechen?“ Ihre Stimme war wieder sanft und leise geworden und die Hoffnung die darin mitschwang, betrauerte Jeremias, da er sie zerschlagen musste.
„Herrin … Ich kann dir nicht helfen. Der Herr würde uns beide strafen, wenn ich ihn ersuchte, dich gehen zu lassen.“

Carda warf sich auf die Liege und er hörte sie laut schluchzen. Ihre schlanken Arme hatte sie über ihren Hinterkopf verschränkt, als wolle sie sich dahinter verstecken. Jekaterina und Darja rührten sich nicht. Ohne Befehl durften sie sich ihr nicht nähern, doch ob sie ihr hätten Trost spenden können, bezweifelte Jeremias ohnehin. Sie waren schließlich ein Teil ihres Leides.
„Und morgen verlässt Marcus mich schon wieder und ich bin erneut allein. Geh! Geh und schicke Alessina zu mir.“
„Ja, Herrin.“ Er verbeugte sich und mit übermenschlicher Geschwindigkeit rannte er zurück zum Haus. Dieses Mal gönnte er sich nicht die Zeit die Kunstwerke des Gartens zu bestaunen, die ein Sklave niemals sein Eigen nennen würde.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen